In meinem liebsten Buch-Podcast „Zwei Seiten“ kam vor ein paar Wochen die Frage auf, ob und wie Bücher uns verändern und/oder prägen.
Eine gute Frage, oder? Was macht es mit uns, wenn wir uns in andere Menschen und deren Gefühle und Geschichten hineinversetzen. Und wie ist es mit Filmen und Serien?
Wäre ich der selbe Mensch ohne „Ronja Räubertochter“? Der erste Roman, den ich verschlungen habe. Später, mit etwa elf Jahren, habe ich Stephen Kings „Es“ heimlich unter der Decke gelesen. Mehrere Nächte waren das, ich war unglaublich müde - und total hooked.
Die Autorin Melanie Raabe (deren Roman „die Kunst des Verschwindens“ ich gerade lese) hat in einem Interview mit der SZ erzählt, dass auch sie „Es“ als Kind gelesen hat. Sie sei definitiv zu jung gewesen dafür, sagt sie. Und dass sie eine Weile einen Bogen um jeden Gullydeckel gemacht habe. „Heute weiß ich, dass man mit solchen Geschichten unterbewusst Ängste abarbeitet. Das Unheimliche erfährt am Ende ja für gewöhnlich eine Auflösung.“ Seit diesem Satz sehe ich die Tatsache, dass ich mich oft in angsteinflößende Geschichten gestürzt habe, ganz anders. Interessanterweise ist mein 10-jähriger Sohn gerade in dieser Phase. Er begeistert sich für Grusel. Vermutlich aus den gleichen Gründen.
Welche Bücher haben mich noch geprägt? Auf jeden Fall „Homo Faber” von Max Frisch. Und das, obwohl es Schullektüre war! Dieser kühle, unnahbare Mann, diese schräge Inzest-Geschichte, die aber doch so nachvollziehbar war. Ich würde nicht ausschließen, dass ich mich unter anderem wegen „Homo Faber“ später oft in viel zu rational-nüchterne Männer verliebt habe.
„Was ich liebte“ von Siri Hustvedt hat meine Liebe zu New York verfestigt, und ganz sicher auch eine gewisse Faszination für das Bohème-Leben. Künstler und Künstlerinnen im New Yorker Loft - klischeehafter geht es ja fast nicht. Zudem erinnere ich mich noch heute daran, wie ich mit den Eltern mitgelitten habe, als der Sohn drogensüchtig wurde. Apropos. Hätte ich nicht mit zwölf „Christiane F.“ gelesen, wäre meine Riesen-Angst vor Heroin wahrscheinlich nicht so ausgeprägt. Auch für dieses Buch war ich definitiv zu jung. Ich habe jahrelang immer wieder davon geträumt.
Also ja: Bücher haben mich geprägt und wahrscheinlich auch verändert.
Ich wäre nicht die Person, die ich heute bin, ohne die Bücher, die ich gelesen habe.
Es gibt Studien dazu, wie Bücher gerade Kinder beeinflussen. Diese besagen zum Beispiel, dass sie sich an positiven moralischen Vorbildern in Erzählungen ein Beispiel nehmen. Und einige andere legen auch nahe, dass fiktive Literatur die Fähigkeit erhöht, sich in andere Menschen hineinzuversetzen.
Vor dem Hintergrund erscheint es auch garnicht mehr übertrieben, dass es so viele Diskussionen über Wordings, Stereotype und Rassismen in Kinderbüchern gibt, oder? Es macht Sinn.
Im Rückblick glaube ich aber, FILME haben mich fast noch mehr geformt als Bücher. Und hier bin ich mir sehr sicher, dass es wenig gute Dinge sind, die ich mitgenommen habe.
Wenn ich an die Serien, die ich in meinen Teenie-Jahren geliebt habe, denke (Beverly Hills 90210, Melrose Place…), dann sind es vor allem folgende Dinge, die mir einfallen: Oberflächlich, materialistisch, die Mädchen waren oft Rivalinnen, immer wieder total gemein zueinander und unfassbar fixiert auf ihr Äußeres. Die Jungs waren unsicher und machten einen auf dicke Hose.
Noch krasser wird es, wenn man sich die Frauenbilder, die in vielen “Kultfilmen” gezeigt wurden, genauer ansieht. In dieser Hinsicht hat mir die Folge “Traumfrauen” von Feuer und Brot fast schon auf unangenehme Art und Weise die Augen geöffnet.
Ich glaube, dass ich noch heute Dinge tue und sage, weil ich verinnerlicht habe, dass “coole Frauen” so zu sein haben. Das Cool Girl aus zig Filmen war eben immer so lässig, ein bisschen boyish, “nicht wie die anderen Mädchen”, nie nervig, immer locker, egal, wie schlecht man sie behandelt hat (und natürlich super heiß und wunderschön). Das Manic Pixie Dream Girl (Hier entschuldigt sich der Erdfinder dieses Ausdrucks, aber ohne den Kern der Sache zu verharmlosen) war ein bisschen quirky und verrückt, versprühte irgendwie Magie und war dabei so irre süß (und cool und nicht nervig und natürlich super heiß und wunderschön). Der schlimmste Trope ist Born Sexy Yesterday - eine Frau kommt halbnackt und unwissend und leicht dusselig, aber eben doch auf ihre Art und Weise schlau daher, lässt sich gerne belehren (und ist natürlich super heiß und wunderschön und hat irre Bock auf Sex). Ich will nie wieder “das fünfte Element” sehen. Und ja, ich finde, dass Emma Stone in “Poor Things” Züge dieses Tropes hat. Auch wenn ich den Film mochte.
Auch GANZ schlimm: How I Met Your Mother. Ich habe die Serie geliebt, so viel gelacht, noch heute benutze ich Begriffe daraus (Wing Man zum Beispiel). Dabei ist so vieles daran falsch. Dieser Instagram Post bringt es auf den Punkt: “How I Met Your Mother ist furchtbar wegen allem, was die Serie mit unseren Geschlechterbildern gemacht hat. Ein sexistisches Arschloch wie Barney Stinson bekommt immer wieder einen Free Pass ausgestellt, weil, awwww, er hat ja doch irgendwie ein goldenes Herz und kümmert sich und ist im Inneren ein kleiner verletzter Junge ohne Vater (…)”
Heute sind es vielleicht weniger Serien, Filme und Bücher, die unsere Kids prägen, sondern “Content”. YouTube, Shorts, TikTok, Twitch. Ich raufe mir die Haare, wenn ich mit meinem Sohn “Hey Moritz” ansehe, weil es einfach so stumpfer Quatsch ist, den er sich da reinzieht.
Meine Tochter liebt mädchenhafte Serien wie “Gymnastics Academy” und auch da bin ich sehr sicher, dass sie ziemlich viel Mist mitbekommt. Überhaupt hatte sie schon immer einen Hang zu leicht überzeichneten Geschichten und Figuren: Conni, Lego Friends. Ich halte nichts davon, ihr das zu verbieten, versuche aber, aufzuklären. Und ich bin zum Beispiel der Überzeugung, dass ihr die Trennung ihrer Eltern ein bisschen mehr zu schaffen machte, weil sie in ihrem Leben dank dieser ganzen Geschichten schon mit so vielen perfekten Familie-Bildern konfrontiert wurde. Ihr Bruder hatte wesentlich weniger solcher Vorbilder.
Was macht es also mit meiner Tochter, wenn sie „Hanni und Nanni“ hört? Mit meinem Sohn, wenn er außer „Gregs Tagebuch“ eigentlich nichts liest?
Vielleicht sollte man den Einfluss von Geschichten auch nicht überinterpretieren. Sicher werden meine Kinder zu großartigen Erwachsenen (mit vielen Macken, so wie wir alle) auch ohne Bücher und mit komischen YouTube-Clips. Denn am Ende sind es natürlich so viele Dinge, die uns prägen und formen. Das Gefühl, das unser Elternhaus uns mitgibt. Die Erfahrungen, die wir mit Freunden und Freundinnen machen.
Aber ich finde es wichtig, dass sich jeder Mensch, der Content entwickelt, darüber im Klaren ist, was das bedeutet. Ich bin schwer dafür, Content Creator besser zu regulieren und auszubilden. Vielleicht sollten Privatpersonen überhaupt keine politischen Inhalte mehr teilen dürfen? Und könnte man nicht Menschen, die zu bestimmten Themen Content erstellen und eine kritische Masse an Follower haben, verpflichtend einige Seminare machen lassen? Erst gestern habe ich ein Interview mit einem Psychiater über Mental Health in den sozialen Medien gelesen (es ging insbesondere um ADHS). Er sagt: “Wie können wir die Qualität dieser Informationen verbessern? Wie können wir sicherstellen, dass Menschen, die kein Störungsbild haben, nicht denken, sie hätten eins? Die Informationen in den sozialen Medien können einen nämlich sehr, sehr schnell tief reinziehen, wenn man nicht darauf achtet.”
Auf jeden Fall bin ich dafür, dass Kinder besser aufgeklärt werden, lernen, mit sozialen Medien umzugehen, zu filtern, sich abzugrenzen. Würde ich noch mal eine Firma gründen (was ich im Moment kategorisch ausschließe), wäre es genau das: Online-Bildung für Kinder und Jugendliche. Ich selbst habe auf der Oberschule dank einiger rabiater Lehrer_innen sehr gut gelernt, kritisch zu lesen, zu hinterfragen, nicht alles für bare Münze zu nehmen und lieber noch mal zu recherchieren, bevor ich Parolen nachplappere. Genau diese Fähigkeit fehlt mir bei sehr vielen und ich halte sie für enorm wichtig. Gerade jetzt, wo es so eine Vielzahl von Quellen und Medien gibt.
Ebenfalls wichtig: Welcher Film wird gefördert, welcher nicht? Welches Buch wird verlegt, welches nicht? Menschen, die diese Entscheidungen treffen, haben eine große Verantwortung. Aber ich glaube, im Gegensatz zu den meisten Content Creators sind sie sich dieser auch bewusst.
Ich habe gerade eine Schwäche für Katzen-Memes. Keine Ahnung, was das über mich aussagt? Aber wie süß ist bitte diese hier. Und dieses Video!
Bücher
Ganz oben auf meiner Buchliste steht„Mir geht’s gut, wenn nicht heute dann morgen“ von Dirk Stermann über die wundervolle Psychoanalytikerin Erika Freeman. Ich finde sie so beeindruckend, genau SO möchte ich sein, wenn ich alt bin. Hier ist sie zu Gast in der Serie “Was ich gern früher gewusst hätte”. Meine Favorit: „Wenn du traurig bist, dann verzieh den Mund, als ob du lächeln würdest, und zähl bis zehn. Bei zehn denkt das Gehirn: Ich lächle, ich muss also glücklich sein.“
MODE!
Kürzlich fiel mir auf, dass die meisten der Modefrauen, denen ich momentan folge, einen recht ähnlichen Look tragen. Ich mag zum Beispiel die Portugiesinnen Rita Montezuma und Caetanaba aber auch dahanadcr. Nun habe ich gelernt, dass dieser „Eclectic Grandpa“ heißt und was soll ich sagen: i love it.




Er ist voller IT-Pieces und bunt. Das gefällt mir natürlich besonders, weil ich mich schon immer fast dazu zwingen muss, mal ein Basic zu kaufen. Mein Schrank ist voll mit bunten Teilen, die sich eigentlich schwer kombinieren lassen. Der Eclectic Grandpa Look macht es viel einfacher. Sogar Mustermixe sind erlaubt! Anbei ein paar Teile, die perfekt reinpassen.








vlnr: Ganni Pullunder, H&M Bluse, Farm Rio Jacke, La Veste Weste, Damson Madder Kleid, &Other Stories Cardigan, Sezane Hose, Damson Madder Bluse.
(Wenn ihr ein Teil kauft, bekomme ich evtl eine kleine Provision)
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